Experten-Blog

Eine riskante Wette: Produktion oder Instandhaltung?

Thomas Heller /

Auf der täglichen Agenda produzierender Unternehmen stehen (u.a.) zwei zentrale Aufgaben: Sie müssen (1) Waren produzieren, um finanzielle Mittel zu erwirtschaften und (2) Instandhaltungsmaßnahmen umsetzen, um langfristig betriebsfähig zu bleiben. Oftmals gehen diese beiden Abteilungen jedoch nicht Hand in Hand, obwohl sie direkt voneinander abhängig sind. Thomas Heller und sein Team vom Cluster 2 des Innovationsprogramms RESYST wollen Werkzeuge entwickeln, mit denen Unternehmen ihre Produktion und Instandhaltung in Einklang bringen können - ein ambitioniertes Vorhaben!

© Lina Holz

Produzierende Unternehmen stehen in ihrem Firmenalltag einer Herausforderung gegenüber: Sie müssen Instandhaltungs- und Produktionsaktivitäten permanent planen und miteinander in Einklang bringen. Im optimalen Fall entsteht für beide Bereiche eine gemeinsame Planungsbasis. Einfach gesagt heißt das:  Die Mitarbeiter von Produktion und Instandhaltung müssen gegenseitig informiert sein, wer wann welche Arbeiten an einer Maschine erledigt und die Planung auch einhalten. Wenn die Mitarbeiter der Instandhaltung beispielsweise ein Kugellager tauschen, kann auf der Maschine nicht produziert werden.

Die Realität sieht oftmals jedoch anders aus. Mit der Produktion und dem Verkauf von Produkten verdienen Unternehmen Geld. Die Produktion hat daher häufig Vorrang. Die Instandhaltung kommt zu kurz. Das heißt: Obwohl die Instandhaltung an einer Maschine ein Kugellager tauschen müsste, kommt sie nicht zum Zug und kann Wartungs-Zyklen nicht einhalten. Die Prioritäten sind schlicht im Bereich der Produktion gesetzt.

Dabei geht das Unternehmen eine riskante Wette ein: Die Anlage wird schon nicht gleich ausfallen. Meistens geht das für den Moment gut, aber eben nicht immer und natürlich nicht auf unbestimmte Zeit. An dieser Situation muss sich etwas ändern. Das gelingt, indem produzierende Unternehmen erkennen, dass sie ausfallbedingte Krisen-Situationen durch regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen vermeiden. Eine gute Basis ist, wenn alle Beteiligten im Unternehmen wissen, dass es für eine gute Instandhaltung keine Alternative gibt. Wenn ich also ein Kugellager nicht tausche, wird die Produktion später massiv darunter leiden. „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ lautet ein treffendes Sprichwort. Im Idealfall arbeiten Produktions- und Instandhaltungsplanung gemeinsam.

Im Cluster 2 des Innovationsprogramms RESYST haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Methoden, Technologien und Werkzeuge zu entwickeln, mit denen Unternehmen ihre Produktion und Instandhaltung in Einklang bringen. Wir haben uns viel vorgenommen:  Bis März 2021 arbeiten wir in zwei Themenfeldern und insgesamt 9 Arbeitspaketen an entsprechenden Lösungen. Das Themenfeld 2.1. betrachtet, wie die gesamte Produktionskette resilient ausgerichtet werden kann. Im Themenfeld 2.2. möchten wir langfristig sicherstellen, dass die richtigen Instandhaltungsmaßnahmen zum richtigen Zeitpunkt stattfinden. RESYST stellt uns vor die Herausforderung, in nur kurzer Zeit eine Vielzahl an Erkenntnissen zu sammeln und alle Ergebnisse am Ende zu vereinen – diese nehmen wir gern an!

Ich selbst koordiniere die Aktivitäten des Themenfeldes 2.2. und arbeite inhaltlich an den Themen Blockchain und Kompetenzentwicklung mit. Ich bin davon überzeugt, dass das Thema Smart Maintenance, welches ich in der Fraunhofer Gesellschaft (mit-) verantworte, unmittelbar mit dem Resilienzgedanken in Verbindung steht. Beide sind erforderlich, um auch weiterhin in Deutschland bzw. Westeuropa erfolgreich produzieren zu können. Intelligente Instandhaltung ebnet u.a. den Weg hin zur Digitalisierung des Anlagenbestandes. Resilienz hilft sicher zu stellen, dass wir gegenüber internen und externen Störungen ausreichend gewappnet sind. Dafür brauchen wir erfahrene Spezialisten. Diese sind in beiden Fällen in der Regel die Experten aus der Instandhaltung, die das Ziel verfolgen, die Strukturen im Unternehmen nachhaltig zu verbessern. Hier kann die Fraunhofer-Gesellschaft eine Vorreiterrolle übernehmen und dazu möchte ich gerne meinen Beitrag leisten. Denn ich möchte, dass auch die Generationen meiner Kinder und Enkel noch an Produktionsstandorten in Westeuropa arbeiten können (wenn sie das denn wollen…).

Ihr Thomas Heller