Experten-Blog

Fertigungsrelevante Informationen in 2D-Zeichnungen automatisch erkennen und verarbeiten

Christoph Haar & Hang-Beom Kim /

Zur Automatisierung der Arbeitsplanung und damit zur Verkürzung der Prozesskette muss man die zu fertigenden Bauteile genau kennen. Sie werden bis heute meist auf Grundlage von 2D-Zeichnungen gefertigt. Diese 2D-Zeichnungen enthalten neben der reinen Geometrie viele Zusatzinformationen, die man auslesen und semantisch beschreiben muss. Hierfür hat das Fraunhofer IPA im Rahmen des Forschungsprojekts SE.MA.KI, nun einen neuen Demonstrator entwickelt.

© Andrine Theiss

Der Fokus von SE.MA.KI liegt in der Steuerung der Matrixproduktion. Zusätzlich werden auch die automatische Generierung von Prozessketten und die Digitalisierung benötigter Informationen betrachtet, etwa im hier beschriebenen Teilprojekt.

Was sind fertigungsrelevante Informationen?

Als fertigungsrelevante Informationen wurden im ausgearbeiteten Ansatz speziell nicht nur die Geometrie sondern hauptsächlich darüber hinausgehende Informationen betrachtet. Da Informationen wie z. B. die Oberflächengüte und Oberflächenbehandlungen häufig einen großen Einfluss auf die möglichen Fertigungsprozessketten und somit Fertigungskosten haben.

Fertigungszeichnungen können eine Vielzahl an weiteren Informationen beinhalten. wie (beispielhaft in Abbildung 1 dargestellt):

  • die Geometrie des Bauteils, die über die Abbildung der Ansichten dargestellt ist,
  • Bemaßungen der Geometrie, die Größe und Position angeben,
  • Toleranzen, die angeben, welche Abweichungen von der Bemaßung erlaubt sind,
  • allgemeine Informationen im Schriftfeld sowie
  • zusätzliche Informationen, z. B. über Wärmebehandlung…
© Fraunhofer IPA
Abbildung 1: Informationen in Fertigungszeichnungen.
© Fraunhofer IPA
Abbildung 2: Aufteilung der Informationen in textuelle (blau) und symbolische (grün) Informationen.

Wie können fertigungsrelevante Informationen in Fertigungszeichnungen erkannt werden?

Ein Großteil der Fertigungsrelevante Informationen sind als Symbole und Texte in den Zeichnungen dokumentiert (Abbildung 2). Für die Texterkennung, auch OCR (Optical Character Recognition) genannt, gibt es zahlreiche Open Source Bibliotheken. Eine Analyse der verfügbaren Lösungen hat die Überlegenheit der Python EasyOCR Bibliothek gezeigt. Sie basiert auf KI-Algorithmen und kann kontinuierlich mit neuen Beispieldaten trainiert werden. So können auch Sonderzeichen für Fertigungszeichnungen in die Texterkennung integriert werden.

Auch bei der Symbolerkennung wird auf Künstliche Intelligenz gesetzt. Eine der heute performantesten Bildbibliotheken ist YOLO (You only look once). Diese auf künstlichen neuronalen Netzen basierende Architektur ermöglicht ein Training von KI-Modellen mit Bildern. Im Rahmen des Projektes wurde YOLO genutzt, um eine vordefinierte Symbolbibliothek zu trainieren und damit in Zeichnungen Symbole zu erkennen.

Mit der Text- und Symbolerkennung ist der entwickelte Ansatz in der Lage, einen Großteil der Informationen aus den Zeichnungen auszulesen. Viele der Texte und Symbole stehen in einem Zusammenhang, der ebenfalls automatisch erkannt werden sollte. Aus diesem Grund werden Texte und Symbole über ihre Position und die in Abbildung 3 dargestellten Boxen zusammengeführt. Da Fehlerhafte Erkennungen kostenintensive Folgen haben kann, wurde eine Logik zur Plausibilitätskontrolle entwickelt, die z. B. Maße im Bereich des Schriftfelds als Fehler ausgibt. Hier besteht jedoch noch großes Potential für die Weiterentwicklung und Optimierung.

Über KI-basierte Bilderkennung ist das im Projekt entwickelte System somit in der Lage, Texte und Symbole aus Zeichnungen auszulesen und zusammen zu führen. Die Erkennungsrate liegt bei etwa 70 Prozent. Ein Regelwerk reichert die Texte und Symbole mit Informationen an.

Welches Ziel verfolgen wir mit der Umsetzung?

Mit der Umsetzung des Ansatzes verfolgen wir das Ziel das weit verbreitete Medium der Fertigungszeichnung auch in den digitalen Planungsketten nutzbar zu machen. Im speziellen ermöglicht dies die schnelle Interpretation und Kategorisierung von Zeichnungen für eine digitale Weiterverarbeitung in Arbeitsplanung und Fertigung. Darüber hinaus bietet der Ansatz großes Potenzial für die automatische Ableitung von Regeln aus bereits erzeugten Fertigungszeichnungen und den zugehörigen Arbeitsplänen. Dies soll die Arbeitsplanung weiter automatisieren und somit den Prozess verkürzen. Im Kontext von SE.MA.KI ist die automatische Erzeugung von möglichst vielen alternativen Prozessketten und Arbeitsplänen eine Grundlage um das Potential der Matrixproduktion nutzen zu können.

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderkennzeichen: L1FHG42421). Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor:innen.

Abbildung 3: Zusammenführung der textuellen und symbolischen Informationen und Ableitung von fertigungsrelevanten Informationen.