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Wie sieht der Prozessablauf zur Rekonfiguration von Matrix-Produktionssystemen aus?

Michael Trierweiler /

Matrix-Produktionssysteme bieten wegen ihrer modularen Grundstruktur die Möglichkeit der Rekonfiguration. Diese kann genutzt werden, um die Flexibilität der Produktion bedarfsgerecht an vorgegebene Zielsetzungen der Unternehmensleitung und Anforderungen aus dem jeweils vorliegenden Produktionsprogramm anzupassen. Doch wie können Rekonfigurationen im operativen Betrieb des Produktionssystems ermittelt und durchgeführt werden? Diese Fragestellung wird innerhalb des SEMAKI-Forschungsprojekts behandelt.

© Andrine Theiss

Was ist eine Rekonfiguration?

Die modulare Struktur von Matrix-Produktionssystemen ermöglichen eine hohe Flexibilität für die tägliche Produktion. Somit können verschiedene Produkte und Varianten im selben Montagesystem produziert werden. Je nach Zusammensetzung der Produktionsprogramme oder Integration eines weiteren Produkttyps, kann es jedoch sinnvoll sein, die vorhandene Flexibilität anzupassen. In diesem Falle spricht man von Rekonfiguration.
Rekonfigurationen bezeichnen strukturelle Änderungen am Produktionssystem. In einer Matrixproduktion können das die Änderung von Funktionsumfängen an Prozessmodulen, Veränderung der Anzahl an Prozessmodulen oder deren räumliche Neuanordnung sein. Mittels dieser Stellschrauben lässt sich die Flexibilität anforderungsgerecht anpassen. Eine Rekonfiguration kann somit als eine auf einzelne Objekte limitierte Änderung am Fertigungs- bzw. Montagesystem angesehen werden.

Prozess der Rekonfiguration

Um zu erkennen, wann eine Rekonfiguration sinnvoll ist, wie eine Rekonfiguration zu gestalten und diese umzusetzen ist, bedarf es eines standardisierten Prozesses, der in die Organisation der Produktion integriert ist. Dieser Prozess kann in sechs Haupt-Prozessschritte gegliedert werden.

1.    Projektplanung und -überwachung
Da es sich bei Rekonfigurationen um strukturelle Eingriffe in das Produktionssystem handelt, müssen eine Vielzahl an Aktivitäten angestoßen und koordiniert werden. Daher ist es sinnvoll, jedes Vorhaben einer Rekonfiguration als einzelnes Projekt zu betrachten. Entsprechend wird in den Prozess der Rekonfiguration ein Prozessschritt zur Projektplanung und -überwachung integriert. Über diesen werden Rekonfigurationsvorhaben ausgelöst, geplant und überwacht.

2.    Zielplanung
Analog zu größeren Änderungsplanungen von Fertigungs- bzw. Montagesystemen stellt eine vorgelagerte Zielplanung sicher, dass Anforderungen an die Planung und Umsetzung systematisch aufgenommen werden können. Dies können beispielsweise das für die kommende Periode vorgesehene Produktionsprogramm, Wünsche der Mitarbeitenden oder die angestrebte logistische Positionierung sein.

3.    Gestaltung

Entsprechend der definierten Prämissen aus der Zielplanung kann mit der konkreten Gestaltung von Rekonfigurationen begonnen werden. In diesem Schritt geht es darum, u. a. Optimierungen am Layout oder an der Verteilung von Funktionen auf Prozessmodulen abzuleiten. Zur einfachen Gestaltung von Rekonfigurationen, der Validierung und des Vergleichs alternativer Lösungen bietet es sich an, diesen kreativen Prozessschritt im Digitalen Zwilling des Produktionssystems durchzuführen. Über eine Abschätzung der Aufwände zur Umsetzung der erarbeiteten Lösungsalternativen muss sichergestellt werden, dass der sich ergebende Nutzen (beispielsweise höhere Produktivität, Wegereduzierung im Materialtransport, etc.) höher ist, als die dazu erforderlichen Aufwände zur Umsetzung.

4.    Ausführungsplanung

In der Ausführungsplanung wird die Umsetzung der zuvor gestalteten Rekonfiguration geplant. Dies beinhaltet die Festlegung der notwendigen Umsetzungsschritte sowie deren zeitliche Abarbeitung. An dieser Stelle ist besonders die Ausführung von Rekonfigurationen während des laufenden Betriebs herausfordernd.

5.    Ausführung

Schließlich kann mit der Ausführung selbst begonnen werden, also der mechanischen Umgestaltung des Shopfloors. Über den kontinuierlichen Austausch mit der Projektüberwachung muss die fristgerechte Abarbeitung der Arbeitsschritte sichergestellt werden, damit die Produktion entsprechend der vorherigen Planung arbeiten kann.

6.    Reflexion

Entsprechend der unternehmerischen Zielsetzung der kontinuierlichen Verbesserung sollte als Abschluss eines jeden Rekonfigurationsprojekts eine Reflexion des Vorgehens und der Ergebnisse durchgeführt werden. Über ein Wissensmanagement können die Erkenntnisse systematisch dokumentiert und für folgende Rekonfigurationsprojekte genutzt werden.

Integration in die Produktionsorganisation
Der vorgestellte Prozessablauf der Rekonfiguration muss in die Organisation der Produktion integriert werden. Dabei wird der Zeitraum zur Ermittlung von Rekonfigurationen bis zu deren Umsetzung über den Zeitraum von Bekanntgabe des Produktionsprogramms der Folgeperiode bis zum geplanten Start dessen definiert. Dies stellt eine gewisse Schnelligkeitsanforderung an den Prozess, welche nur über eine strikt einzuhaltende Standardisierung erreicht werden kann. Zur Unterstützung dieser ist die Einführung eines IT-Programms sinnvoll, welches nicht nur den ordnungsgerechten Ablauf des wiederkehrenden Prozesses ermöglicht, sondern gleichzeitig bestimmte Aufgaben der einzelnen Prozessschritte übernimmt.

Ausblick
Im Rahmen des SEMAKI-Forschungsprojekts wird der beschriebene Prozessablauf weiter ausdetailliert und an der prototypischen Entwicklung des angesprochenen IT-Programms gearbeitet. Dieses könnte perspektivisch als zusätzliche MES-Funktionalität zur Unterstützung des Betriebs von Matrix-Produktionssystemen angesehen werden. Des Weiteren soll die Interaktion des Prozessablaufs der Rekonfiguration mit dem im SEMAKI-Projekt behandelten Gesamtsystem analysiert werden. Das Vorgehen und die Erfahrungen sollen anschließend der Forschung und Industrie über weitere Veröffentlichungen und Workshops zugänglich gemacht werden.

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderkennzeichen: L1FHG42421). Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor:innen.